Vom Megawatt zum Terawatt

Neue Maß­stä­be für die Pho­to­vol­ta­ik: PV-Think Tank emp­fiehlt Para­dig­men­wech­sel
auch in Deutschland.

Auf den Punkt: Solarstrategien sollten auf globale Entwicklung ausgerichtet werden

Die Pho­to­vol­ta­ik (PV) boomt. Glo­bal ist der Zubau 2022 im Ver­gleich zum Vor­jahr um über 50 % ange­stie­gen, in Euro­pa immer­hin um rund 47%. Der enor­me Anstieg erfolg­te trotz Lie­fer­ket­ten­pro­ble­men und trotz gestie­ge­ner Prei­se. 2023 ist mit einem wei­te­ren stei­len Anstieg zu rech­nen, da die Prei­se schnell fal­len und sich die Lie­fer­ket­ten­pro­ble­me auf­lö­sen. Der glo­ba­le Zubau wird schon bald bei einem Tera­watt (TW)[1] jähr­lich lie­gen und danach auf ver­mut­lich über 3 TW/Jahr ansteigen.

Die­ser hohe jähr­li­che Zubau wird die Ener­gie­ver­sor­gung in den meis­ten Län­dern stark ver­än­dern. Bei gleich­zei­ti­ger Elek­tri­fi­zie­rung und der par­al­le­len tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lung der Spei­cher­tech­no­lo­gien wer­den fos­si­le Ener­gie­trä­ger schnell ver­drängt. Die Kli­ma­zie­le schei­nen wie­der erreichbar.

Deutsch­land hat hier in der Ver­gan­gen­heit eine sehr wich­ti­ge Rol­le gespielt und alles spricht dafür, dass Deutsch­land die Chan­cen aus der glo­ba­len Ent­wick­lung nut­zen soll­te. Auch hier­zu­lan­de zeigt der Trend nach oben. Der Aus­bau erreich­te 2022 in Deutsch­land wie­der das Niveau von vor einem Jahr­zehnt. Die star­ke Ent­wick­lung der Pho­to­vol­ta­ik geht weiter.

Die Ampel­re­gie­rung hat­te sich im Koali­ti­ons­ver­trag zum Ziel gesetzt, den Zubau wei­ter zu stei­gern. Bis zum Ende der Legis­la­tur­pe­ri­ode soll der jähr­li­che Zubau rund 20 Giga­watt (GW) pro Jahr betra­gen. 2030 soll eine instal­lier­te Kapa­zi­tät von 215 GW erreicht sein. Das ent­sprä­che etwa einer Ver­drei­fa­chung gegen­über der heu­te bereits ver­bau­ten PV. Und es klingt nach viel.

Aber die Ambi­tio­nen rei­chen – im Lich­te der inter­na­tio­na­len Ent­wick­lung und mit Blick auf die Poten­tia­le der PV – nicht aus.  Zei­ten­wen­de und Kli­ma­kri­se müs­sen als Push-Fak­to­ren wei­ter dafür sor­gen, dass die Aus­bau­zah­len nach oben kor­ri­giert wer­den. Zugleich sind die modu­la­re Bau­wei­se und die wei­ter fal­len­den Kos­ten ent­schei­den­de PV-Pull-Fak­to­ren in Rich­tung des Solar­zeit­al­ters. Das wird in die­sem Impuls ausgeführt.

Es braucht vor die­sem Hin­ter­grund neue Maß­stä­be und einen Para­dig­men­wech­sel in der deut­schen Ener­gie­po­li­tik, der der PV jene Rol­le zuschreibt, die sie im Ener­gie­sys­tem der Zukunft aus­fül­len kann und wird. In Deutsch­land wird der durch­schnitt­li­che Zubau von mehr als einem Giga­watt pro Monat in Kür­ze der Standard.Szenarien und Maß­nah­men müs­sen die­se Aus­bau­ge­schwin­dig­keit abbil­den. 

In einer Zeit, in der wir uns zuneh­mend mit dem Ziel­sys­tem für 2035 oder 2040 befas­sen, ist es zudem nötig, sich auf die rich­ti­gen Para­me­ter zu ver­stän­di­gen. Wir sind über­zeugt: Die PV und Begleit­tech­no­lo­gien wie Kurz­zeit­spei­cher wer­den eine grö­ße­re Rol­le spie­len (müs­sen), als vie­le Sze­na­ri­en es bis­her anti­zi­pie­ren. In einem hoch­gra­dig elek­tri­fi­zier­ten Wirt­schafts­mo­dell müs­sen wir die PV in Deutsch­land in einer Tera­watt-Grö­ßen­ord­nung den­ken – und dies als Chan­ce betrachten.


[1] 1 Tera­watt (TW) = 1 000 Giga­watt (GW) = 1 000 000 Mega­watt (MW)

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Exponentielle Entwicklung der Photovoltaik

1.     Erfolg der PV sucht seinesgleichen

Die Pho­to­vol­ta­ik hat in den letz­ten Jahr­zehn­ten eine Ent­wick­lung voll­zo­gen, die in der Ener­gie- und Indus­trie­ge­schich­te ihres­glei­chen sucht. Sie ist güns­tig, modu­lar und über­all ver­füg­bar. Kei­ne Tech­no­lo­gie wächst so schnell wie die PV – his­to­risch und bis heu­te. Der expo­nen­ti­el­le Wachs­tums­pfad ist seit den 50er Jah­ren nahe­zu kon­stant und unge­bro­chen (vgl. Abbil­dung). Von der Welt­raum­tech­no­lo­gie über klei­ne PV-Pio­nier-Dächer bis zu den heu­ti­gen Groß­kraft­wer­ken hat die PV eine ful­mi­nan­te Geschich­te hin­ter sich. Jahr für Jahr wer­den wei­ter­hin neue Rekor­de gebro­chen – und der Zubau beschleu­nigt sich in gro­ßen Schrit­ten.[1]

Expo­nen­ti­el­le Ent­wick­lung der PV

2.     PV wird weltweit zur wichtigsten Energietechnologie

Der expo­nen­ti­el­le Wachs­tums­pfad der letz­ten Jahr­zehn­te setzt sich fort. Von 2021 auf 2022 sind die Neu­in­stal­la­tio­nen welt­weit um 53% gewach­sen. Tech­no­lo­gie­über­grei­fend hat die PV die Nase vorn: Bei den neu ent­ste­hen­den Ener­gie­ka­pa­zi­tä­ten gin­gen 2021 welt­weit bereits rund 50 % auf das Kon­to der PV. 2022 waren nach Schät­zun­gen bereits zwei Drit­tel der neu­en Strom­erzeu­gungs­ka­pa­zi­tä­ten PV-Kraft­wer­ke.[2] Damit hat die PV erst­mals auch die Wind­ener­gie über­holt und wird mehr und mehr zum Motor der welt­wei­ten Ener­gie­trans­for­ma­ti­on. Ein Grund dafür ist auch die dra­ma­ti­sche Kos­ten­sen­kung, die welt­weit bereits erreicht wor­den ist und nach wie vor anhält. So wur­den PV-Kraft­wer­ke etwa bei Aus­schrei­bun­gen in Sau­di-Ara­bi­en und Chi­le mit 1 bis 1,5 US-Cent­s/k­Wh bezu­schlagt. Welt­weit nied­ri­ge Aus­schrei­bungs­er­geb­nis­se sind aber nicht der ein­zi­ge Indi­ka­tor. In vie­len Regio­nen und auch in Deutsch­land und Euro­pa wer­den auch zuneh­mend PV-Kraft­wer­ke errich­tet, die ohne den Siche­rungs­schirm einer För­de­rung aus­kom­men können.

3.     Meilensteine erreichen Terawatt-Dimensionen

2022 mar­kiert das Jahr, in dem die welt­weit instal­lier­te Kapa­zi­tät erst­mals die Tera­watt (TW)-Grenze über­schrit­ten hat. Und es ist nur eine Fra­ge von weni­gen Jah­ren, bis das zwei­te Tera­watt erreicht sein wird. Die Neu­in­stal­la­tio­nen betru­gen 2022 welt­weit 268 GW. Im lau­fen­den Jahr wird von einem wei­te­ren Wachs­tum von mehr als 300 GW bis zu 400 GW aus­ge­gan­gen. [3]

Ana­lys­ten erwar­ten, dass in der zwei­ten Hälf­te des Jahr­zehnts die jähr­li­che Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tät für die PV die 1‑Te­ra­watt-Mar­ke erreicht, so dass der jähr­li­che Zubau dann welt­weit in Tera­watt-Dimen­sio­nen erfol­gen kann. Spä­tes­tens für Mit­te der 2030er-Jah­re wird erwar­tet, dass der jähr­li­che Zubau dann 3.000 GW/Jahr betra­gen wird.[4] Danach könn­te der Zubau auf vier bis fünf TW/Jahr anstei­gen. Zur Erin­ne­rung: Der Zubau in Deutsch­land lag 2022 noch bei gut sie­ben GW.

4.     Auf dem Weg in eine Power- bzw. Solar-to‑X Economy

Mit der Dekar­bo­ni­sie­rung und der Kli­ma­neu­tra­li­tät steht das Ener­gie­sys­tem als Gan­zes vor einer tief­grei­fen­den Trans­for­ma­ti­on. Wesent­li­cher Trei­ber ist die Elek­tri­fi­zie­rung aller Sek­to­ren. Und am Start­punkt der Ener­gie­bi­lanz steht mehr und mehr die Strom­erzeu­gung aus erneu­er­ba­ren Ener­gien. Denn der Löwen­an­teil aller Ener­gie­ver­sor­gung (etwa für Wär­me oder Trans­port) lässt sich über Elek­tri­zi­tät bereitstellen.

Im Gegen­satz zum fos­si­len Zeit­al­ter, in dem die Ver­bren­nung von Öl, Gas und Koh­le den Ursprungs-Treib­stoff für das Ener­gie­sys­tem bereit­stell­te, sind wir nun auf dem Weg in eine strom­ba­sier­te Ener­gie­welt. Die­se lässt sich auch als Power-to-X-Eco­no­my beschrei­ben.[5] Ele­men­te die­ser Power-to-X-Eco­no­my wer­den auch Was­ser­stoff oder Bat­te­rien sein. Aber die zen­tra­len Säu­len der glo­ba­len Ener­gie­ver­sor­gung sind dann Wind und vor allem Solar. In Euro­pa wird die Wind­ener­gie einen hohen Anteil behalten.

Vor allem in süd­li­chen Regio­nen wird jedoch die Pho­to­vol­ta­ik als Ener­gie­tech­no­lo­gie mit Abstand domi­nie­ren. Daher kann man glo­bal betrach­tet auch von der Solar-to-X-Eco­no­my spre­chen.[6]
Die Erkennt­nis ist nicht neu. Bereits 1999 präg­te Her­mann Scheer den Begriff der Sola­ren Welt­wirt­schaft.[7]

Das Gute dabei: Die Solar­strah­lung ist um einen Fak­tor 1000 aus­rei­chend für die nöti­ge Ener­gie­ver­sor­gung der Mensch­heit. Die Elek­tri­fi­zie­rung ist zudem um einen Fak­tor 3 effi­zi­en­ter als fos­si­le Antrie­be oder die fos­si­le Wär­me­er­zeu­gung. Und die Kos­ten der PV und ande­ren nöti­gen Kom­po­nen­ten, wie Bat­te­rien, gehen dras­tisch runter.

Der Auf­bruch in die Solar-to-X-Eco­no­my ist also eine gute Nachricht.

Weltweite und europäische Entwicklungen

1.     PV boomt weltweit

Wäh­rend Deutsch­land vor rund 20 Jah­ren noch einen Anteil von rund 90% des PV-Welt­mark­tes beim Zubau aus­mach­te, betrug er 2022 nur noch weni­ger als 3 %. Daher lohnt ein Blick auf die inter­na­tio­na­len Ent­wick­lun­gen, um die Per­spek­ti­ven der PV einzuordnen.

In Chi­na wur­den 2021 mit 55 GW und 2022 mit 87 GW neue Rekor­de beim Zubau gebro­chen.[8] Die Kapa­zi­tät der chi­ne­si­schen Zell­pro­duk­ti­on steigt in die­sem Jahr auf 600 GW.[9] Rund 80 % der Welt­pro­duk­ti­on kom­men aus Chi­na. PV-Expor­te machen inzwi­schen 30 Mrd. US-Dol­lar aus und sind über die letz­ten fünf Jah­re ver­ant­wort­lich für fast 7 % von Chi­nas Handelsüberschüssen.

Auch die USA erle­ben einen star­ken Rekord-Zubau mit 23 GW in 2021 und 19 GW in 2022. Die PV ist damit für 45 % der Kapa­zi­täts­zu­wäch­se im ame­ri­ka­ni­schen Strom­markt ver­ant­wort­lich. Ab 2024 wird ein jähr­li­cher Zubau von 30–40 GW erwar­tet.[10]

Wie all­tags­taug­lich die sola­re Ener­gie­ver­sor­gung schon ist, kann man in Süd­aus­tra­li­en beob­ach­ten.[11] Rund 30 % der Gebäu­de sind dort bereits mit PV belegt, der EE-Anteil am Strom­mix liegt bei 85 % und erreich­te im Dezem­ber 2022 auch auf­grund des brei­ten Ein­sat­zes von Spei­chern bereits zehn Tage am Stück einen Wert von 100 % EE. Mit 1 kW pro Kopf instal­lier­ter PV-Lei­tung erreicht die Regi­on einen welt­wei­ten Rekord und setzt Maß­stä­be auch für ande­re Regionen.

Als Trend lässt sich beob­ach­ten, dass vie­le Län­der vor allem in Asi­en und Afri­ka, PV-Aus­schrei­bun­gen mit Spei­chern ver­bin­den, vor allem dort, wo die Netz­ver­füg­bar­keit gerin­ger ist. Neben den rasan­ten Ent­wick­lun­gen in vie­len Län­dern gibt es auch Her­aus­for­de­run­gen. So sind die Kapi­tal­kos­ten zuletzt stark gestie­gen und ent­wi­ckeln sich vor allem im glo­ba­len Süden zu einem Investitionshemmer.

2.     Prognosen internationaler Agenturen sind schlechte Berater

Für die inter­na­tio­na­le Ener­gie­po­li­tik gel­ten die Pro­gno­sen der inter­na­tio­na­len Ener­gie­agen­tu­ren wie IEA und IRENA als wich­ti­ge Refe­ren­zen. Die­se bil­den viel­fach auch in Deutsch­land als Para­me­ter für die welt­wei­te Ent­wick­lung. Jedoch lie­gen die­se mit ihren kon­ser­va­ti­ven Ein­schät­zun­gen tra­di­tio­nell weit dane­ben und müs­sen wie­der­holt in den Kor­rek­tur­mo­dus, weil sie von der Rea­li­tät ein­ge­holt wer­den: IEA schätz­te im World Ener­gy Out­look 2010 bei­spiels­wei­se noch mit einer welt­weit instal­lier­ten PV-Kapa­zi­tät von 410 GW in 2035.[12] Und im World Ener­gy Out­look 2015 rech­ne­te man erst für 2040 mit der Errei­chung der 1000 GW-Gren­ze, die bereits heu­te Rea­li­tät ist.[13] Aktu­ell rech­net die IEA für das Jahr 2030 mit einer welt­weit instal­lier­ten PV-Kapa­zi­tät in Höhe von rund fünf Tera­watt bis 2025.[14] Der Net­to­zu­bau pro Jahr müs­se dafür laut IEA bis 2050 auf 444 GW/Jahr anwach­sen, ein Wert, den wir mög­li­cher­wei­se bereits 2024 errei­chen wer­den. Die­se pes­si­mis­ti­schen Sze­na­ri­en ent­spre­chen aber heu­te nicht dem Stand der Ent­wick­lung und basie­ren auf unrea­lis­ti­schen Annah­men und Zah­len. Es ist zu ver­mu­ten, dass die­se klein­ge­rech­ne­te Bedeu­tung der PV vor allem auf den Druck von kon­ser­va­ti­ven Regie­run­gen zustan­de kommt, die ein Inter­es­se an einer lang­sa­men Been­di­gung von fos­si­len Lösun­gen haben. Wir sind jeden­falls der Über­zeu­gung, dass die­se Pro­gno­sen schlech­te Bera­ter sind.

3.     Starke Zuwächse in Europa

Auch in Euro­pa nimmt der Zubau Fahrt auf. 41 GW neue PV-Instal­la­tio­nen kamen 2022 hin­zu.[15] Neben Deutsch­land sind vor allem Spa­ni­en, Polen und die Nie­der­lan­de der­zeit wich­ti­ge Märk­te. Letz­te­re lie­gen bei den Instal­la­tio­nen pro Kopf euro­pa­weit vorn. Von einem star­ken, wei­te­ren Wachs­tum wird aus­ge­gan­gen. Der dies­jäh­ri­ge Zubau in Euro­pa wird auf von Solar Power Euro­pe kon­ser­va­tiv auf 54 GW geschätzt, bis 2026 soll die­ser auf 85 GW stei­gen. Die instal­lier­te Leis­tung könn­te im opti­mis­ti­schen Sze­na­rio von heu­te rund 200 GW auf ein Tera­watt zum Ende des Jahr­zehnts anstei­gen (vgl. Abbildungen).

4.     PV erlebt 2022 den Durchbruch in Brüssel

Im Zuge der Kli­ma- und Ener­gie­kri­se hat sich die Admi­nis­tra­ti­on der EU zuletzt mehr und mehr der Pho­to­vol­ta­ik zuge­wandt. Beob­ach­ter sehen im Jahr 2022 einen Durch­bruch für die PV in Brüs­sel, mit dem die stra­te­gi­sche Bedeu­tung der PV für Euro­pa in den Fokus rückt. Dies lässt sich an einer Rei­he von Initia­ti­ven fest­ma­chen: Dies sind z.B. der REPowerEU Plan mit einer Anhe­bung der EE-Zie­le bis 2030 auf 45 %. Zudem wur­de eine Solar­stra­te­gie vor­ge­legt, die den Zubau­pf­ad bis 2030 beschreibt. Hier­zu gehört auch eine ein­ge­führ­te Solar­pflicht sowie deut­lich ver­ein­fach­te Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren über die EU Not­fall­ver­ord­nung, die – so der Plan – in den künf­ti­gen EE-Richt­li­ni­en zum Stan­dard wer­den sollen.

Mit der EU Solar PV Indus­try Alli­ance, dem Cri­ti­cal Raw Mate­ri­als Act, der Cor­po­ra­te Social Respon­si­bi­li­ty Direc­ti­ve und dem Solar skills plan wird auch der Rele­vanz einer euro­päi­schen PV-Indus­trie und dem Fach­kräf­te­be­darf Rech­nung getra­gen. EU-weit sol­len bis zum Ende des Jahr­zehnts 1 Mio. im PV-Bereich neue Jobs geschaf­fen wer­den.

EU27 cumu­la­ti­ve solar pv instal­led capa­ci­ty 2000 — 2022 (Solar Power Europe)
EU27 total solar pv mar­ket sce­na­rio 2022 — 2030 (Solar Power Europe)

Fazit und Implikationen für eine deutsche Solarstrategie

Welt­weit erlebt die Pho­to­vol­ta­ik der­zeit eine immense Dyna­mik. Sie setzt ihr expo­nen­ti­el­les Wachs­tum fort. Aus einer Kilo­watt-Welt­raum­tech­no­lo­gie wur­de inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te eine Ener­gie­er­zeu­gung im Mul­ti-Mega­watt-Kraft­werks­for­mat. Nach Jah­ren des Still­stands in Deutsch­land gilt es nun, sich an den welt­wei­ten Ent­wick­lungs­trends zu ori­en­tie­ren. Dies bedeu­tet, den wei­te­ren Zuwachs in Tera­watt-Dimen­sio­nen zur Grund­la­ge ener­gie­po­li­ti­schen Han­delns zu machen.

Das betrifft auch die Ener­gie­po­li­tik in Deutsch­land. Es muss zur Prio­ri­tät wer­den, das Ener­gie­sys­tem in den kom­men­den Jah­ren fit zu machen für die immer wich­ti­ge­re Solar­ener­gie. Die Zubau­ge­schwin­dig­keit des letz­ten Jahr­zehnts ist die fal­sche Refe­renz. In Deutsch­land soll­te der PV-Zubau künf­tig in Giga­watt pro Monat dis­ku­tiert wer­den, denn nichts ande­res steht bereits jetzt im EEG. Maß­neh­men müs­sen die­se Zubau­ge­schwin­dig­keit abbil­den kön­nen. 2023 ist dabei ein Jahr vie­ler stra­te­gi­scher Ent­schei­dun­gen, etwa über das Strom­markt­de­sign oder hin­sicht­lich der Pla­nun­gen für die nöti­ge Ener­gie- und Netz­in­fra­struk­tur. Dies kann und soll­te drin­gend unter Berück­sich­ti­gung der welt­weit zu beob­ach­ten­den Poten­tia­le der PV erfolgen:

1.     Ausbauziele in Deutschland auf ambitioniertes Niveau anheben

Die Ampel­re­gie­rung hat sich – gemes­sen an der Vor­gän­ger­re­gie­rung – ambi­tio­nier­te Aus­bau­zie­le gesetzt. Wäh­rend unter Mer­kel und Alt­mai­er noch über die Auf­he­bung eine 52 GW-Deckels ver­han­delt wer­den muss­te, ist der Aus­bau­pf­ad bis 2030 nun gesetz­lich auf 215 GW ver­an­kert.

Wir sind jedoch über­zeugt, dass das nicht rei­chen wird. Deutsch­land wird rund 1.000 Giga­watt ali­as 1 Tera­watt PV errei­chen.[16] Die Fra­ge ist aus unse­rer Sicht nicht das ob, son­dern das wann.

PV Aus­bau­pf­ad des EEG2023

Den jähr­li­chen Zubau ab 2026 auf rund 22 GW/Jahr zu deckeln, wie es die Zah­len des BMWK sug­ge­rie­ren[17], greift viel zu kurz. Ein höhe­rer Zubau ist mög­lich und sowohl für die Ener­gie­ver­sor­gungs­si­cher­heit, die Wirt­schaft­lich­keit als auch für den Kli­ma­schutz von gro­ßer Bedeutung.

Ein wei­te­res Wachs­tum auf ein Volu­men von 30 — 40 GW/Jahr soll­te poli­tisch ange­strebt wer­den. Für die Pla­nung, Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit und auch für die nöti­ge Gestal­tung von Lang­frist­sze­na­ri­en ist es drin­gend nötig, die­se Per­spek­ti­ven zu öff­nen. Die Lang­frist­sze­na­ri­en brau­chen ein ambi­tio­nier­tes PV-Sze­na­rio, dass sich an de Tera­watt-Dimen­sio­nen des welt­wei­ten PV-Markt orientiert.

2.     Das Energiesystem fit machen

Die PV ver­än­dert zudem ganz kon­kret die Anfor­de­run­gen an das Ener­gie­sys­tem. PV lie­fert dann Ener­gie, Strom ist nur ein Zwi­schen­pro­dukt. Das Strom­markt­de­sign muss daher zum „Ener­gie­markt­de­sign“ wer­den. Wir soll­ten daher nicht vom Kli­ma­neu­tra­len Strom­sys­tem, son­dern vom Kli­ma­neu­tra­len Ener­gie­sys­tem spre­chen, in dem die Elek­tri­fi­zie­rung aller Sek­to­ren zum Game-Chan­ger wird.[18] Das Ener­gie­markt­de­sign muss daher z.B. auch Limi­ta­tio­nen auf Ver­teil­netz­ebe­ne mit betrach­ten. Eine Reform der Netz­ent­gel­te muss lang­fris­ti­ge Preis­si­gna­le in regio­na­len Strom­märk­ten mit­den­ken. Dies und vie­les mehr gilt es bei den nun anste­hen­den Defi­ni­tio­nen des Strom­markt­de­signs bereits 2023 zu berück­sich­ti­gen.  

3.     PV-Industrie ansiedeln

Die gro­ße Achil­les­fer­se für den wei­te­ren Ent­wick­lungs­pfad der PV in Euro­pa ist die Ver­füg­bar­keit der Tech­no­lo­gie. 85 % der Zel­len wer­den heu­te in Chi­na pro­du­ziert, 97 % der Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten von Wafern lie­gen in Chi­na. Die Kapa­zi­tät zur Her­stel­lung von Poly­si­li­zi­um liegt zu 79 % in Chi­na, etwa die Hälf­te davon in der Regi­on Xin­jiang. Dar­aus ergibt sich eine dra­ma­ti­sche Abhän­gig­keit und ver­pass­te Chan­ce für indus­tri­el­le Wert­schöp­fung. Ande­re Regio­nen wie die USA oder Indi­en han­deln ent­spre­chend und haben mit umfas­sen­den Pro­gram­men die Inves­ti­ti­ons­be­din­gun­gen für die PV vereinfacht.

In Euro­pa und Deutsch­land wird dar­über bis­her nur debat­tiert. Das muss sich jetzt ändern. Mit der PV muss damit neben der indus­trie­po­li­ti­schen Bedeu­tung auch ein zen­tra­ler Fokus auf die Ener­gie­si­cher­heits­po­li­tik gelegt wer­den. Es braucht hei­mi­sche PV-Pro­duk­ti­on statt hei­mi­scher Koh­le. Ziel muss es sein, die Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten in Euro­pa in Höhe von min­des­tens 600 Giga­watt auf­zu­bau­en, was 20 % der erwar­te­ten jähr­li­chen glo­ba­len Instal­la­ti­on von 3 TW ent­spricht. Was es dazu braucht, sind etwa Eigen­ka­pi­tal-För­der­pro­gram­me, Son­der­ab­schrei­bun­gen auf PV-Pro­duk­ti­ons­an­la­gen, ein befris­te­ter Betriebs­kos­ten­aus­gleich in Zei­ten hoher Ener­gie­prei­se sowie die Abschaf­fung wett­be­werbs­ver­zer­ren­der Import­ge­büh­ren von Kom­po­nen­ten.[19]

4.     International für realistische Szenarien einsetzen

Auch inter­na­tio­nal gilt es, sich für die neue Rol­le der PV für eine kli­ma­ge­rech­te Zukunft des Pla­ne­ten ein­zu­set­zen. Die Ein­hal­tung der Kli­ma­zie­le wird ganz maß­geb­lich davon abhän­gen, wie gut es gelingt, die PV zur Säu­le der welt­wei­ten Ener­gie­ver­sor­gung zu machen. Für eine schnel­le Trans­for­ma­ti­on hin zu einer welt­wei­ten Solar-to-X-Eco­no­my gilt es fos­si­le Struk­tu­ren zu über­win­den. Das muss die deut­sche Ener­gie­au­ßen­po­li­tik leis­ten. Dazu gehört es neben dem Auf­bau von neu­en und fai­ren Ener­gie­part­ner­schaf­ten auch, sich bei den inter­na­tio­na­len Ener­gie­agen­tu­ren offen­siv für rea­lis­ti­sche Sze­na­ri­en ein­zu­set­zen, damit die Pro­jek­tio­nen rea­li­täts­taug­lich wer­den und sich die Staa­ten auf die erwart­ba­re Ent­wick­lung ein­stel­len können. 


Download: Impulspapier


[1] Brey­er et al., 2021. Solar PV in 100% RE sys­tems. Chap­ter 14 in Pho­to­vol­taics Volu­me In: Ency­clo­pe­dia of Sus­taina­bi­li­ty Sci­ence and Tech­no­lo­gy, online Vic­to­ria et al., 2021. Joule 5, 1041 1056

[2] BNEF, Power Tran­si­ti­on Trends 2022

[3] https://www.pv-tech.org/top-10-pv-module-suppliers-in-2022-shipped-245gw/

[4] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/pip.3659

[5] https://www.pv-magazine.de/2023/01/04/photovoltaik-koennte-europa-in-eine-solar-to-x-wirtschaft-verwandeln/

[6] Irre­füh­rend ist hin­ge­gen der von der kon­ven­tio­nel­len Ener­gie-Com­mu­ni­ty kol­por­tier­te Begriff der Was­ser­stoff­wirt­schaft, denn auch von Was­ser­stoff ist die Basis zukünf­tig die Erneu­er­ba­re Energie.

[7] Her­mann Scheer (1999) Sola­re Welt­wirt­schaft, Stra­te­gie für eine öko­lo­gi­sche Moder­ne, Ant­je Kunst­mann Ver­lag, Mün­chen 1999

[8] https://www.pv-magazine.com/2023/01/18/china-added-87–41-gw-of-solar-in-2022/

[9] https://www.pv-magazine-australia.com/2022/10/25/chinas-solar-cell-production-capacity-may-reach-600-gw-by-year-end/

[10] https://www.seia.org/research-resources/solar-market-insight-report-2022-q4

[11] https://reneweconomy.com.au/south-australia-hits-stunning-new-high-in-race-to-renewables-only-grid/

[12] https://iea.blob.core.windows.net/assets/1b090169-1c58-4f5d-9451-ee838f6f00e5/weo2010.pdf

[13] https://iea.blob.core.windows.net/assets/5a314029-69c2-42a9-98ac-d1c5deeb59b3/WEO2015.pdf

[14] https://www.iea.org/reports/solar-pv

[15] https://www.iea.org/reports/solar-pv

[16] https://www.bne-online.de/fileadmin/bne/Dokumente/Positionspapiere/2020/20200423_bne_positionspapier_Klimaschutz_mit_1000_GW_Sonnenkraft.pdf

[17] BMWK https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/0406_ueberblickspapier_osterpaket.pdf?__blob=publicationFile&v=14

[18] https://www.reiner-lemoine-stiftung.de/pdf/RLS_2022_Leitplanken_f_r_die_Gestaltung_des_Klimaneutralen_Stromsystems.pdf

[19] https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Energiewende/230124_PV-Handlungsempfehlungen.pdf

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